»"Diese zwei Verben - 'leiden' und 'erkennen' - sind sich sehr ähnlich, oder? Indem er mit diesen Wörtern spielt, möchte Sokrates andeuten, dass beides tatsächlich mehr miteinander zu tun hat, als es auf den ersten Blick scheint." (S. 94)

Han Kangs Roman „Griechischstunden“ erzählt die berührende Geschichte einer Frau, die eines Tages plötzlich verstummt. Um ihrer Einsamkeit zu entfliehen, entscheidet sie sich, an einem Altgriechischkurs teilzunehmen. Dort begegnet sie einem Lehrer, der ebenfalls von Einsamkeit gezeichnet ist: Er droht zu erblinden. Obwohl er wiederholt versucht, sie zum Sprechen zu bewegen, bleibt sie stumm – ein Schweigen, das tiefere Gründe hat, die sich erst allmählich offenbaren. Im Austausch über ihre jeweiligen Schicksale nähern sich die beiden einander an, teilen Momente von Angst und Einsamkeit und schaffen Verbindungen, die über Worte hinausgehen.

Han Kang, die in diesem Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, schildert in „Griechischstunden“ nicht nur die Liebe zur Sprache, sondern auch die fragile Kunst der zwischenmenschlichen Kommunikation. Der Roman ist weit mehr als eine Geschichte über das Sprechen oder das Erlernen einer Sprache wie Altgriechisch. Es geht um die vielen Formen der Verständigung: Zeichen, Schrift oder das bloße Dasein füreinander. Was passiert, wenn Sprache – und damit unsere Fähigkeit uns mitzuteilen – verloren geht? Han Kang lotet mit großer Sensibilität die Abgründe der Einsamkeit aus und zeigt, wie Kommunikation Brücken bauen kann, selbst wenn Worte fehlen.«

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