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Verzeichnis einiger Verluste von Judith Schal­ansky

12.00 

»„Die Weltgeschichte ist voller Dinge, die verloren sind – mutwillig zerstört oder im Lauf der Zeit abhandengekommen.“ Diesen Dingen widmet Judith Schalansky ihr „Verzeichnis einiger Verluste“, das nun als Taschenbuch erschienen ist. Allein in der Zeit, in der sie an dem Buch gearbeitet hat „verglühte die Raumsonde Cassini in der Atmosphäre des Saturn; zerschellte der Marslander Schaparelli in der rostigen Gesteinslandschaft jenes Planeten, den er hätte untersuchen sollen; verschwand eine Boeing 777 spurlos auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking“ und verschwand vieles weitere von der Bildfläche dieses Planeten. Schalansky nimmt im weiteren Verlauf keine reine Aufzählung vor, so wie es ihre Vorbemerkung vermuten lässt; kein eigentliches Register oder Index. Sie umringt jeden Verlust mit einer Erzählung. Die Verluste reichen von dem kaspischen Tiger († 1964), zu Sapphos Liebesliedern (unsicher,† 1073/1204) bis zur Villa Sachetti (†1861).

 

Einige Spuren verfolgt sie selbst, wie in einer Wanderung zum Hafen von Greifswald ­- ihrer Heimatstadt, die sie mit Caspar David Friedrich teilt. Auch eines seiner Gemälde wurde durch einen Brand zerstört, aber einst von Menschenhand gezeichnet. Der Maler, nun zu Erde zerfallen, seine Werke aber überdauern als Zeugen seiner Existenz. Was aber bleibt, wenn auch die Werke zerstört werden? Wird das „Verzeichnis einiger Verluste“ in ein paar Jahrhunderten wieder entdeckt, so dient es als eigener Beweis. Ein Beweis jedoch bei dem man sich nicht sicher sein kann, ob er der Fantasie der Autorin entsprungen ist oder Geschehnisse akkurat wiedergibt. Das gründet sich im spielerischen Umgang der Autorin mit außerordentlich präziser Recherche und Sprache und poetischer Betrachtung, der „Wiederbelebung“ einer kühlen Faktenlage. Beim Lesen ergibt sich das Bild Schalanskys, während ihrer akribischen Recherche, in altehrwürdigen Bibliotheken voller halb-zerfallener Dokumente sitzend. Sie erneuert mit ihrem Verzeichnis unsere Erinnerung, bevor auch das letzte Zeugnis zerfällt oder die Bibliothek, die es inne hält von einem Feuer zerstört wird, welches jeden Hinweis auf eine vergangene Existenz mit sich nimmt.

 

Einer der Autoren, der diese „Verdinglichung“ sehr bewusst betrieb, war Jean-Paul Sartre. In seiner Autobiographie „Die Wörter“ stellt er fest, dass sich sein Selbst in dutzenden Büchern, tausenden Seiten und abertausend Buchstaben manifestiert. Er schrieb für eine Zeit nach seinem Ableben. Wenn zukünftig jemandem eine seiner Schriften in die Hand fallen würde und so den Menschen Sartre wiedererweckt. Allein dadurch, dass er die einstigen Gedanken und die Zeit, die er mit der Arbeit an seinen philosophischen Werken verbrachte in die Gegenwart verlinkt. Schalansky ist dieser Jemand, der genau eben dies tut, eine Bibliothekarin des Verschollenen. Schalansky wurde für diesen Text der hochdotierte Wilhelm-Raabe-Literaturpreis verliehen; sie sei „eine Grenzgängerin zwischen Natur und Poesie, zwischen Wissenswelten und Phantasiereichen, zwischen Zählen und Erzählen“. Sie ist vielfach ausgezeichnete Buchgestalterin, Autorin und Herausgeberin, u.a. der Naturkunde-Reihe im Matthes & Seitz Verlag.«

 

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Kategorie: Schlagwort:

Vanessa

... liest am liebsten Sachbücher und Gesellschaftsromane. Insbesondere, wenn sie darüber hinaus mit den schönsten Mitteln des Buchhandwerks hergestellt wurden.

Zusätzliche Information

Titel

Verzeichnis einiger Verluste

Autor

Judith Schalansky

ISBN

978-3-518-47078-7

Bibliographische Angaben

Taschenbuch, 251 S., Suhrkamp Verlag

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