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Was Nina wusste von David Grossman

25.00 

»Drei Frauen bestimmen die Handlung des neuen Romans von David Grossman. Er spannt einen Bogen vom aktuellen Israel bis zur blutigen, europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts, führt von Israel nach Kroatien, auf die Insel Goli Otok, auf der Tito politische Gefangene foltern ließ. Grossman inszeniert ein Kammerspiel über ein nachwirkendes Verhängnis und den schwierigen Versuch der Aussöhnung zwischen den Generationen. Vera heißt die älteste der drei Frauen. Sie feiert, rüstig und vital, im Kibbuz ihren 90. Geburtstag. Am Tag darauf reist sie mit Enkelin Gili, Schwiegersohn Rafi und der überraschend vom Polarkreis angereisten Tochter Nina nach Kroatien, in die Heimat Veras und Ninas. In den 1950er Jahren sind Mutter und Tochter nach Israel ausgewandert. Vera hat im Kibbuz eine neue Familie gefunden, Nina findet zeitlebens keinen Halt. Sie heiratet Rafi, der sie ehrlich liebt, aber sie lässt ihn und die gemeinsame Tochter Gili zurück, da sie den Dämonen ihrer Kindheit nicht entkommen kann. Erzählt wird der Verlauf der Reise aus Sicht der Jüngsten. Gili ist Ende 30, filmt die Reise gemeinsam mit ihrem Vater und zeichnet die Gespräche auf. Ihre Beobachtungen und Emotionen hält sie in einer Art Tagebuch fest – ein kluger Kunstgriff, mit dem der Erzähler Grossman verschwindet.

Der israelische Schriftsteller versucht nachzuvollziehen, wie sich Erfahrungen generationenübergreifend vererben und wie Ungesagtes die Beziehungen in einer Familie vergiften kann. Die Reise nach Kroatien ist so etwas wie ein psychologisch-befreiender Trip in die Vergangenheit, ein Reise zum Verständnis verlagerter Gefühle. Lily Brett, deren Eltern dem Holocaust entkamen, hat in ihren autobiographischen Romanen immer darauf verwiesen und auch hierzulande sind solche Spätfolgen historischer Katastrophen ein Thema; Bücher wie Kriegskinder und Kriegsenkel von Susanne Bode geben darüber Auskunft.
Vera, Nina und Gili, die drei Frauen des Romans, sind in ihre eigene Problematik verstrickt, aber es wird deutlich, dass alles mit Veras fataler „Entscheidung“ den Anfang genommen hat. Nina kann  wegen ihrer beschädigten Kindheit keine Liebe annehmen, auch wenn ihr Partner Rafael genau dies mit geradezu unerschöpflicher Zuwendung versucht. Sie befindet sich stets in der Rolle der Zurückgelassenen. Gili, ihre Tochter, hat einen Selbstmordversuch nur knapp überlebt; auch sie kämpft immer noch mit dem Gefühl, dass sie ein unerwünschter Mensch ist, weil ihre Mutter sie als kleines Kind ebenfalls im Stich gelassen hat.

Das Vorbild für die Vera im Roman ist Eva Nahir Panić, die viel zur Aufklärung über Goli Otok beigetragen hat. Man sollte sich auf YouTube die sechsteilige Dokumentation „Eva“ wenigsten teilweise ansehen, die für Grossman neben den Gesprächen mit Panić selbst die wichtigste Quelle für den Roman gewesen ist. Dort erlebt man auf beeindruckende Weise die liebenswürdige und souveräne Persönlichkeit dieser standfesten alten Dame, die Vera darstellt. Man liest diesen Roman beim ersten Mal atemlos und beim zweiten Mal, erkennt man welche psychologische Finessen ihm innewohnen. Um nicht zuviel, aber gerade genug zu verraten: Veras Pathos, die Wahrheit sprechen zu lassen, beschädigt ihre Familie zeitlebens. Und wir Leser fragen uns, ob hier nicht Treue und Wahrheit mit Egoismus verwechselt wird? Dies ist die Frage des Romans und wir müssen als Leser selbst eine Antwort finden. Ein äußerst lohnenswerter Text, der zum Nachdenken anregt.«

 

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Kategorie: Schlagwort:

Barbara Ter-Nedden

Barbara Ter-Nedden hat ihre Liebe zu den Büchern schon frühzeitig entdeckt. Während ihres Germanistik- und Romanistikstudiums wurde diese Vorliebe zur Leidenschaft.

Zusätzliche Information

Titel

Was Nina wusste

Autor

David Grossmann

ISBN

978-3-446-26752-7

Bibliographische Angaben

Hardcover, 325 S., hanser Verlag

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