»Eine der erfolgreichsten Strategien auf YouTube sind sogenannte Family Channel. Hier kann stundenlang jeder einzelne Lebensschritt der perfekten Familien begleitet werden. Man schaut beim Schulweg zu, beim Auspacken und Testen von Spielzeug, beim Plätzchenbacken vor Weihnachten und bei der letzten Shoppingtour. Dass diese Form der dauerhaften medialen Überwachung Kindern nicht unbedingt guttut, ist kein großes Geheimnis. Auf den Plattformen selbst regt sich seit langem Unwillen und Kritik. Delphine de Vigan hebt dieses Thema mit ihrem neuen Buch nun aus den Sümpfen des Internets in die breite Öffentlichkeit.
Mélanie Claux führt genau einen solchen Kanal mit ihren beiden Kindern Sammy und Kimmy, beide im Grundschulalter. Nach ihrem geplatzten Traum, ein Realitystar zu werden, erschuf sie ihre eigene Show. »Happy Récré« gehört zu den erfolgreichsten Kanälen in Frankreich. Für ihre Abonnent:innen führen sie ein unbeschwertes Leben und den Kindern wird kein Wunsch abgeschlagen. Doch die glückliche Blase zerplatzt, als die sechsjährige Kimmy eines Abends nicht mehr vom Verstecken spielen mit den Nachbarskindern wieder kommt. Für Mélanie ist damit nicht nur ihre heißgeliebte Tochter, sondern auch ihre Einkommensquelle verschwunden.
Zugeteilt wird dieser Vermisstenfall der jungen Kommissarin Clara, die wenig Erfahrungen mit Youtube und seinen Besonderheiten gemacht hat. Sie und ihr Team versuchen nun das kleine Mädchen zu finden. Was sich als gar nicht so einfach herausstellt, denn es scheint, als kenne ganz Frankreich Kimmy und als habe jeder ein Motiv.
Delphine de Vigan führt ihre Leser:innen zielsicher durch die Irrungen und Wirrungen der Social-Media Welt in all ihren Facetten. Exemplarisch an Familie Claux zeigt sich, dass hinter all dem Happy-Family-Theater harte Arbeit und großer psychischer Druck verbirgt. Anhand von Vernehmungsprotokollen und Abschriften der YouTube Videos wird schnell deutlich, was die jungen Kinderstars alles teilen müssen und wie wenig Zeit für sie selbst bleibt. Delphine de Vigan schreibt einen längst überfälligen Roman, der ein gesellschaftliches Problem anspricht, was uns durch die immer fortlaufende Digitalisierung noch lange begleiten wird. Sie schafft es trotz allem, weder oberflächlich zu bleiben, noch in unverständliche Jargon abzurutschen. Ein Buch über die Schattenseiten eines Lebens im Rampenlicht.«

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